Osnabrücker Fleischer auf dem Weg zum GWÖ-bilanzierten Betrieb

Fleischerei Witte geht neue Wege

Der Traditionsbetrieb Witte an der Meller Straße in Osnabrück existiert an wechselnden Standorten seit 1894. Jetzt geht Inhaber und Fleischermeister Andreas Witte neue Wege. Vor drei Jahren beschlossen er und seine Frau Anika: „Wir müssen unseren Betrieb anders aufstellen!“ Weg von industriell erzeugten Produkten und Zusatzstoffen – hin zur traditionellen Fleischerei mit hochwertig erzeugten Waren, transparenten Lieferketten und einer nachhaltigen Betriebsführung.

Anika und Andreas Witte stellen ihren Betrieb neu auf.
Anika und Andreas Witte stellen ihren Betrieb neu auf.

„Das hört sich so schön und modern an, aber die Umsetzung ist eine riesige Aufgabe, gerade für unseren kleinen Betrieb mit acht Mitarbeitenden“, erklärt Witte. Und warum dann das Ganze? „Aus Liebe zum Beruf“, ertönt es sofort. Aber auch wegen der Verbundenheit zur Kundschaft und der Verantwortung der Mitarbeitenden gegenüber. Eben für das Gemeinwohl, das sich Witte jetzt zertifizieren lässt.

Beispiel Personalführung. Witte hat sein Team dazu motiviert, eine „Obfrau“ zu wählen und sich dabei auch von der Gewerkschaft informieren zu lassen. Ergebnis: Die Mitarbeiterin kümmert sich gemeinsam mit dem Chef jetzt auch um sämtliche Personalfragen – und Witte hat wieder ein bisschen mehr Zeit für das eigentliche Geschäft.

„Durch die strukturierte Personalarbeit arbeiten meine Leute sogar effektiver und auch ein Stück weit zufriedener – und ich auch.“ Das spricht sich herum. Witte bekommt Bewerbungen für eine Ausbildung – die sind in vielen Betrieben zurzeit eher Mangelware. Beispiel Lieferanten und Produkte. Ein übliches Bio-Zertifikat reicht Witte nicht: „Ich garantiere unserer Kundschaft eine artgerechte Aufzucht und Haltung von tierwohlbewussten Landwirten, weshalb ich auch teurer bin als die Supermarkttheke mit in Kunststoff eingefrorenen 1-Euro Minutensteaks.“ Die Kunden honorieren Wittes Philosophie, die sich auch in den Umsatzzahlen ablesen lässt, die er jeden Monat am schwarzen Brett veröffentlicht. „Jeder kann somit genau verfolgen, wie es um den Betrieb steht.“ Transparenz ist bezeichnend für den Begriff „Gemeinwohl-Ökonomie“.

„Über sich und sein Handeln mehr reflektieren“

Der Bilanzierungsprozess wird begleitet von der Uni Osnabrück und schließt mit einem unabhängigen Audit ab. Dabei ist Witte ein behutsames Vorgehen wichtig: „Ich setze mir kleine Ziele, die ich in einem überschaubaren Zeitraum erreichen möchte, um dann eben auch kleine Erfolgserlebnisse gemeinsam mit meiner Frau und dem Team zu genießen.“ Witte weiß warum. Vor acht Jahren kam der Zusammenbruch: Burn Out. Zudem ließen die Geschäfte nach. Dann kam auch noch Corona. Für Witte war ein Umsteuern in mehrerer Hinsicht überlebenswichtig. Dazu gehören auch neue Vertriebswege über das Netz mit der regionalen Plattform „Wochenmarkt24.de“.

„Bis zum Nachmittag wird bestellt, dann packe ich die Ware zusammen, damit sie am nächsten Morgen beim Kunden ist“, erklärt Witte, der sofort einräumt: „Dafür brauche ich eben auch Zeit, die ich mir durch die Optimierung von Betriebsabläufen nehmen kann.“ Auch ein Ergebnis des Bilanzierungsprozesses. Denn es gilt ebenso, den Partyservice zu organisieren oder die Belieferung von Hofmärkten oder Gastro-Betrieben. „Schließlich gilt für unser Team aber auch für mich die Devise von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so der 54-jährige. Die Bilanzierungskosten von 4-5 Tsd. Euro, gestreckt über mehrere Jahre, sieht er zusammenfassend als sinnvolle Investition, die sich auch in kurzer Zeit wieder bezahlt macht. Für Witte steht im Vordergrund, „dass man über sich und sein Handeln mehr reflektiert.“ Sein abschließendes Credo: „Wir wollen täglich unser Bestes geben, arbeiten aber ohne Zwang, denn wenn mal was nicht klappt, sind wir uns nicht böse, sondern arbeiten weiter daran, eine besondere Fleischerei zu sein.“

>> Zur Fleischerei Witte

Weitere Infos unter ecogood.org.