Begeisterung ausgraben
Judith Franzen macht Stadt- und Kreisarchäologie erlebbar
Judith Franzen hat ihre Leidenschaft in Osnabrück zum Beruf gemacht. In der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück unter anderem verantwortlich für Ausstellungsplanung und Öffentlichkeitsarbeit gibt es für sie keinen klassischen Arbeitstag, sondern jede Menge Abwechslung. Zwischen Katalogisieren, Konzipieren, Gestalten und Textarbeit sowie Netzwerken und Recherche findet sie in der Hasestadt immer neue Dinge und Geschichten, die ihr Interesse wecken.
Wenn Judith Franzen von Ihrem Beruf erzählt, springt der Funke der Begeisterung sofort über. Dabei hat die heutige stellvertretende Fachdienstleiterin der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück eher zufällig ihre Liebe zur Archäologie entdeckt.
Man könnte sagen, sie hat sie beim Pflichtpraktikum während ihres Studiums regelrecht ausgegraben. „Zum Studium der Museologie in Leipzig gehörte 2008 noch ein sogenanntes Grabungspraktikum. Nach dessen Abschluss hätte ich nicht vermutet, wieder mit dem Thema Archäologie in Berührung zu kommen, aber das Interesse hatte mich da schon gepackt“, beschreibt Judith Franzen selbst das Aha-Erlebnis.
Ihr Studium zur Diplom-Museologin schließt sie dennoch erstmal wie vorgesehen ab und kommt erst bei der späteren Jobsuche wieder auf die Archäologie und damit auch auf Osnabrück zurück. Die Stadt kennt sie bereits aus ihrer Schulzeit, denn sie ist zwar in Münster geboren, aber schon als Kleinkind mit ihrer Familie in die Hasestadt gezogen. Verlassen hat sie sie wie so viele junge Osnabrückerinnen und Osnabrücker für das Studium.
„Als ich 2006 nach Leipzig ging, war es noch nicht so trendy wie heute, aber das Besondere war da auch schon spürbar. Ich muss aber sagen, dass ich vieles davon heute auch in Osnabrück wiederfinde. Die Stadt ist kleiner, aber auch hier gibt es eine diverse und bunte Mischung, von allem etwas“, vergleicht Judith Franzen ihre Erfahrungen.
Osnabrück – eine archäologische Fundstätte?
Und was macht Osnabrück historisch so interessant? Auf diese Frage kennt Judith Franzen so viele Antworten, dass sie sich nicht auf eine einzige festlegen möchte. Aus aktuellem Anlass – 2023 feiern wir 375 Jahre Westfälischen Frieden – beschäftigte sie sich in letzter Zeit vor allem mit Fundstücken aus der Zeit um den Dreißigjährigen Krieg.
Zu den typischen Materialgruppen gehören zum Bespiel Ofenkacheln mit Darstellungen von Alltagszenen, Trinkgefäße, Geschirr und Tonpfeifen, aber eben auch Kanonenkugeln, Musketen und Uniformknöpfe. Diese Exponate bildeten die Grundlage für die Ausstellung „LebensBilder aus der Zeit vom Dreißigjährigen Krieg und Westfälischen Frieden“, die sie zusammen mit Kolleginnen des Niedersächsischen Landesarchives, Abteilung Osnabrück, und des Kulturbüros des Landkreises Osnabrück konzipiert hat.
„Es beeindruckt mich, wie wir anhand von archäologischen Fundstücken oder archivalischen Dokumenten Rückschlüsse auf das Alltagsleben der Menschen aus der Vergangenheit ziehen können. Das macht das Leben früherer Generationen greifbar“, erklärt Judith Franzen ihre Faszination.
Geschichte ist Gold wert
Bürgerinnen und Bürger Osnabrücks, ob groß oder klein, interessieren sich oft auch für den materiellen Wert der Fundstücke. Vielleicht kann man ja auch selbst mal was ausgraben, denken viele, aber so einfach ist die Sache nicht.
Der Verkauf bzw. Handel mit archäologischen Fundgut ist rechtlich sehr komplex und die Suche mit einem Metalldedektor zum Beispiel sogar genehmigungspflichtig. Die Frage, ob sie schon mal Gold gefunden hat, musste Judith Franzen trotzdem schon oft beantworten.
Und, nein, Goldfunde hat sie noch nicht gemacht, aber in der Archäologie wird der Wert von Funden ohnehin nicht unbedingt mit Geld bemessen. Wertvoll sind die gewonnenen Erkenntnisse über die Objekte und deren Geschichte, sowie die Einordung in einen Kontext.
„Manchmal lohnt es sich mehrfach hinzugucken. So können Fundstücke, die auf den ersten Blick eher unscheinbar erscheinen, wertvolle Informationen liefern“, bestätigt Judith Franzen.
Tatsächlich bedarf es manchmal einer gewissen Vorstellungskraft, um Umfang, Bedeutung und ideellen Wert des kulturellen Erbes zu erkennen. Im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit vermitteln Judith Franzen und ihre Kolleg*innen durch Ausstellungen, Veranstaltungen, Publikationen und spannende Aktionen die besondere Bedeutung der archäologischen Arbeit und beantworten gerne Fragen dazu.
Sicher unter der Erde
Im klassischen Berufsalltag gibt es eher keine reinen Forschungsgrabungen, sondern es geht um die Erhaltung und Pflege archäologischer Funde und sogenannter Bodendenkmäler.
Ca. 9000 Fundstellen gibt es im Osnabrücker Land, mehr als 54.000 Funde sind in der Datenbank verzeichnet – „Allerdings wird nicht einfach überall gegraben, wo wir gerade wollen. Und nicht immer bleibt dafür so viel Zeit, wie wir gerne hätten. Entsteht irgendwo ein neues Bauprojekt, darf nicht einfach drauflos gebaut werden. Idealerweise wird die Archäologie zuvor in die Planungsphase mit einbezogen. Handelt es sich um verdächtige Flächen, wo laut unserer Unterlagen etwas zu erwarten ist, werden zunächst einzelne Ausschnitte im Boden untersucht“, erklärt Judith Franzen.
Eher an der Tagesordnung sind Notbergungen, kleinere Sondagen (das sind mehrere kleine Probegrabungen zur Abklärung eines Terrains) oder große Flächengrabungen im Vorfeld von Baumaßnahmen. Dabei wollen die Archäolog*innen gar nicht unbedingt immer alles gleich ausgraben. Kann ein Bodendenkmal im Erdreich verbleiben, liegt es dort am besten geschützt – eine aus denkmalpflegerischer Sicht vorrangige Handlungsweise.
Für Geschichte begeistern
Ihr Wissen gibt Judith Franzen gerne weiter, denn es ist ihr wichtig aus der Geschichte zu lernen. Gerade bei den heute ganz aktuellen Themen wie Klimaschutz und Frieden, finden sich unzählige Parallelen zur Vergangenheit. Die Osnabrücker Archäologie besteht aus vier festangestellten Mitarbeitenden.
Je nach Umfang der Grabungsprojekte erweitert sich das Team. Über die denkmalpflegerischen Verpflichtungen hinaus, arbeitet die Archäologie auch eng mit anderen Institutionen wie der Osnabrücker Abteilung des Niedersächsischen Landesarchives oder Vereinen wie dem Geo- und Naturpark Terra Vita zusammen.
Denn ihre Aufgabe ist es nicht nur, Funde einzuordnen und zu bewahren, sondern auch zielgruppengerecht für ein Publikum aufzubereiten. Da ist Judith Franzen als Museologin ganz in ihrem Element: „Auch wenn ich selbst ein Fan von Indiana-Jones-Abenteuern bin, hat unsere Arbeit mit dieser Fiktion natürlich nicht viel zu tun, aber ich möchte Menschen für Geschichte begeistern und einen Zugang schaffen.“
Dafür schaut sie gerne über den Tellerrand, lässt sich auch im Privatleben von Methoden zur Wissensvermittlung inspirieren und kauft auch selbst gerne Kinder- und Jugendhefte über Geschichtsthemen. Gemeinsam mit Inga Vianden und Frank Huismann hat sie ein Unterrichtsheft Archäologie „Auf Zeitreise im Osnabrücker Land“ für Kinder der 4. Klasse veröffentlicht und schreibt regelmäßig für das Online-Magazin kulturabdruck.de.
Die Archäologie lässt sie auch im Privatleben nicht los. Wer mit ihr eine Wanderung oder Radtour durch die Region unternimmt, kann sich auf allerlei spannende Geschichten zu historischen Orten freuen. „Die Archäologinnenbrille kann ich einfach nicht absetzen, aber das ist auch okay“, erklärt Judith Franzen und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Ich nehme auf jeden Fall Rücksicht, um meinen Freundeskreis nicht mit zu vielen Details zu überfrachten, denn ich persönlich kann mich schon für Kleinigkeiten extrem begeistern.“