Chancengleichheit in der Lehre
Bettina Charlotte Belker ist Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule Osnabrück
Als Bettina Charlotte Belker als Zentrale Gleichstellungsbeauftragte an der Hochschule Osnabrück anfing, gab es dort noch nicht einmal einen einzigen Wickeltisch. Das ist jetzt 17 Jahre her und inzwischen gibt es nicht nur Wickeltische, sondern auch Spiel- und Kinderzimmer an allen Fakultäten und vor allem erfolgreiche Instrumente zur Förderung der Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie. Bei allen Erfolgen gibt es jedoch noch immer eine Menge für sie und ihre inzwischen sieben Kolleginnen im Gleichstellungsbüro zu tun.
Vom Einzelfall zur Strategie
Ihr Amt als Zentrale Gleichstellungsbeauftragte ist ein Wahlamt. Das bedeutet, Bettina Ch. Belker musste sich nicht nur einmal auf ihren Job bewerben, sondern muss sich alle sechs Jahre erneut der Wahl durch den Hochschulsenat stellen. Eine Herausforderung, die sie gerne angenommen hat, um die Chancengleichheit an der Hochschule aktiv mitzugestalten. In ihrem Berufsalltag sieht das so aus: Sie berät Führungskräfte und Gremien zur Durchsetzung der Chancengleichheit und hat Vetorechte bei wichtigen Entscheidungen in der Hochschulpolitik, der Personalauswahl- und Entwicklung sowie der Bau- und Raumplanung. Bei allen Einstellungen der Hochschule muss sie frühzeitig und umfassend beteiligt werden. „Die persönlichen Gespräche mit den Gremien, aber auch den Studierenden und Kolleg*innen der Hochschule sind für mich enorm bereichernd, da ich aus ihnen Impulse für meine Arbeit ableite. Ich sehe meine Aufgabe darin, anhand der Einzelfälle Fehler im System aufzudecken und daraus Strategien und Instrumente zu entwickeln, von denen alle profitieren“, schildert Belker ihren Anspruch.
Diplomatie mit System
In Ihrer Position wird Belker immer wieder mal mit der Frage konfrontiert, ob Männer und Frauen nicht schon längst gleichgestellt sind. Ihre Antwort: „Nach Niedersächsischem Gleichstellungsgesetz (NGG) ist das unterrepräsentierte Geschlecht bei gleicher Qualifikation bevorzugt einzustellen – und das sind in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) eben nach wie vor Frauen. Denn schon die Voraussetzungen zum Erreichen von Qualifikationen sind ja meist für Frauen anders als für Männer. Kommt das Thema Mutterschaft hinzu, dann ist es für eine Frau einfach zeitlich nicht möglich, die gleiche Berufserfahrung zu sammeln wie ein Mann im selben Alter. Diese Hintergründe sollten in die Beurteilung mit einfließen, sonst kann man nicht von Chancengleichheit sprechen.“
Um zu einem Konsens zu gelangen, von dem die Hochschule ebenso wie die Gleichstellung profitiert, ist nicht nur systemisches Denken, sondern oft auch Diplomatie gefragt. Für Belker zwei Dinge, die sie zu vereinen gelernt hat, denn erfolgreiche Gleichstellung kann aus ihrer Sicht nur im Dialog entstehen: „Ich habe immer eine Gleichstellungspolitik gemacht, bei der die Organisation erlebt, dass sie die Qualität steigert. Das hat mir sicherlich viele Türen geöffnet, und ich bin stolz auf die daraus über Jahre gewachsene kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Hochschulleitung und den Gremien.“
Instrumente für mehr Chancengleichheit
Auf Chancengleichheit zur Qualitätssteigerung zielt auch die Entwicklungs- bzw. Tandemprofessur zur Erhöhung des Frauenanteils in den MINT-Fächern ab. Ziel ist es, dass Frauen, die bereits überdurchschnittlich promoviert sind oder kurz vor Abschluss ihrer Promotion stehen (Disputation bereits erfolgt), die für eine Professur an einer Fachhochschule benötigte dreijährige Berufspraxis außerhalb des Hochschulbereiches erlangen, ohne dass sie die Wissenschaft vollständig verlassen müssen. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt werden jetzt zehn Tandemprofessuren angeboten. „Wir denken eine Kette hoch bis zur Professur. Von der Schülerin, zur Studentin bis zur Doktorandin. Dazu nutzen wir viele kleine Teilmaßnahmen wie den Boys und Girls Day und das Technikum“, erklärt Belker die strukturellen Hintergründe.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist zum Beispiel der Ausweis Studium und Familie, den Studierende mit Sorgeverantwortung beantragen können. Mit diesem Ausweis haben sie Rechte. Das heißt, sie sind nicht mehr Bittsteller*innen, sondern haben zum Beispiel das Recht, die ersten Seminare zu belegen. Das ist möglich, weil Belker und ihre Kolleginnen die Gremien davon überzeugen konnten, dass das Studium für Studierende, die Sorgeverantwortung übernehmen, eine besondere Herausforderung darstellt. Und dass es für die Hochschule vorteilhalft ist, kein „entweder oder“, sondern ein „sowohl als auch“ zu ermöglichen.
„Schon als ich 1989 nach Osnabrück kam, war die Stadt aus feministischer Sicht faszinierend. Die Uni hatte den ersten Frauen ASTA und es gab ganz viele autonome Frauenprojekte und ein erfolgreiches Frauenhaus. Die Friedensstadt Osnabrück hatte viele Mitstreiterinnen für Chancengleichheit. Hier gab es immer schon eine gute frauenpolitische Basis“, erinnert sich Bettina Charlotte Belker. Mit ihrer Arbeit setzt sie also eine bewährte Osnabrücker Tradition fort.