Für die ukrainische Unternehmerin Yuliia Khrystychenko eröffnen sich in Osnabrück vielfältige Perspektiven
Mit neuer Zuversicht zu großen Zielen
Als erfolgreiche Unternehmerin und dreifache Mutter ist Yuliia Khyrystchenko darin geübt, Herausforderungen zu meistern. Doch der Beginn des russischen Angriffskriegs auf ihr Heimatland stellte auch für die 35jährige und ihre Familie eine tiefe Zäsur dar. In Osnabrück gelang es ihr zur Ruhe zu kommen, neue Kraft zu tanken und Zukunftspläne zu schmieden. Wichtige Unterstützung erhält sie dabei durch das Förderprogramm „Women in business“. Bei der Vermittlung half ihr die Gründungsberatung der WFO Wirtschaftsförderung Osnabrück.
Mit einem offenen Lächeln schreitet Yuliia Khyrystchenko über den Osnabrücker Markt. Hier, umrahmt von den altehrwürdigen Gebäuden des Rathauses, der Stadtwaage und der Marienkirche ist ihr anzumerken, wie sehr sie die friedliche Atmosphäre genießt. „Ich mag die Stadt sehr, es ist ein wirklich guter Platz zum Leben, so schön und so friedlich“, sagt sie. Dabei sind erst wenige Monate vergangen, seit Khrystychenko gemeinsam mit ihren drei Kindern in der Hasestadt ankam. Ihr Ehemann muss aktuell aufgrund des Krieges noch in der Ukraine bleiben.
Für die 35jährige ist Osnabrück aber schon jetzt weit mehr als nur eine Zwischenstation. Die junge Unternehmerin hat sich dazu entschieden, die Weichen für die Zukunft neu zu stellen. Sie möchte die Stadt für sich und ihre Familie zum Lebensmittelpunkt machen und zugleich die enge Verbindung zu Verwandten und Freunden in der Ukraine durch regelmäßige Besuche aufrechterhalten.
Sportlehrerin und Unternehmerin
Geboren wurde Yuliia Khrystychenko in der ostukrainischen Stadt Charkiw, wo sie auch die Schule besuchte und studierte. Als Sportlehrerein ausgebildet lernte sie ihren heutigen Ehemann kennen, heiratete und zog danach ins 300 Kilometer südlich liegende Zaporozhye. Die Stadt am Fluss Dnepr sei ein wirklich schöner Ort. Vor allem an der dortigen 12 Kilometer langen und geschichtsträchtigen Flussinsel Chortyzja habe sie Gefallen gefunden. Eine gesundheitliche Krise in ihrer Familie habe dann dazu geführt, dass sie sich intensiver mit alternativen medizinischen Behandlungsansätzen auseinandergesetzt habe. Das sich daraus ein eigenes, erfolgreiches Unternehmen entwickeln sollte, sei zum damaligen Zeitpunkt weder geplant noch absehbar gewesen. „Es ergab sich einfach“, berichtet sie. Allerdings habe sie den Beruf als Sportlehrerin zu dem Zeitpunkt bereits als eher einseitig empfunden: „Es reichte mir nicht mehr, ich brauchte mehr Input.“
Erfolgreich im Gesundheitssektor
Im Laufe mehrerer Jahre erwarb Khrystychenko durch den Besuch von Kursen, Seminaren und Workshops vielfältige Qualifikationen im Bereich Coaching und Psychologie. 2021 nahm sie zudem ein Physio- und Ergotherapie-Studium an der litauischen Universität Klaipeda auf, mit dem Ziel nach dem Ende des Studiums in zwei Jahren ein eigenes Rehabilitationszentrum eröffnen zu können. Ihre parallel erfolgende Beratungstätigkeit kombinierte sie mit einem Online-Shop für naturnahe Gesundheitsprodukte und stimmte beides aufeinander ab. Der Erfolg stellte sich schnell ein und das Unternehmen florierte, unterstützt von einem Stab an festen Mitarbeitern, wie Yuliia Khrystychenko berichtet. Und auch ihr Mann sei schließlich mit eingestiegen und habe seine langjährigen Geschäftserfahrungen einbringen können. Sehr positiv auf die Unternehmensentwicklung habe sich zudem ihre starke Präsenz in den sozialen Medien ausgewirkt und weitere Expansionspläne befördert. Dann aber sei der Krieg gekommen.
Der Weg nach Osnabrück
Für einige Wochen blieb die Familie zunächst im Land und beobachtete die Lage. Für ihre unternehmerischen Aktivitäten habe sie zu dem Zeitpunkt keine Ressourcen gehabt, berichtet die 35jährige im Rückblick: „Ich fühlte mich sehr gestresst“. Die Familie kam zu der Einschätzung, dass mit einem schnellen Ende des Krieges nicht zu rechnen sei. Yuliia Khrystychenko reiste daraufhin mit ihren Kindern nach Deutschland und gelangte schnell nach Osnabrück. Es sei genau jene Stadt, von der ihr Mann bereits im Alter von 16 Jahren beschlossen habe, sie eines Tages zu besuchen. „Mein Mann träumte von Osnabrück, weil hier sein Lieblingsschriftsteller Erich Maria Remarque geboren wurde und längere Zeit gelebt hat“, erzählt Yuliia Khrystychenko. „Es freut meinen Mann sehr, dass wir hier sind und er blickt mit großer Vorfreude auf die Zeit, wenn er selbst bei uns sein kann.“ Zwar seien die unternehmerischen Aktivitäten aktuell noch unterbrochen, der Neustart aber bereits umfassend vorgeplant.
Unterstützung durch das Programm „Women in Business“
Maßgeblich zu dieser Planung beigetragen hat das vom Europäischen Sozialfond und dem Land Niedersachsen geförderte Programm „Women in business“ (WIB). Speziell ausgerichtet auf die Bedarfe von angehenden Unternehmerinnen, analysiert und begleitet es Gründungsvorhaben und qualifiziert mit passgenauen Angeboten. Die Unterstützung durch das Programm sei enorm und genau das, was sie brauche, berichtet Khrystychenko.
Neben ökonomischen Fragen würden vor allem auch juristische eine große Rolle spielen und genau diese Themenkomplexe könne sie mit den Programmverantwortlichen in aller Ruhe besprechen und diskutieren. Entstünden Fragen, würden diese ebenfalls umgehend erörtert. Die sportliche ukrainische Unternehmerin fühlt sich durch ihre Planungen dazu inspiriert, ihr Geschäft im Bereich Internethandel fortzusetzen. „Wir wollen eine Plattform aufbauen, auf der es in ukrainischer und deutscher Sprache schnell und einfach möglich sein soll, Waren zu finden, diese zu bestellen, zu bezahlen und zugesandt zu bekommen und das EU-weit und in guter Qualität. Als Zeitraum zur Realisierung setzt Khrystychenko einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten an.
„Mein Mann und ich haben viele neue Ideen und Pläne, und wir hoffen, sie hier in Deutschland verwirklichen zu können“, so die 35jährige. Auch die Eröffnung eines eigenen Rehabilitationszentrums in Osnabrück sei Teil der Unternehmensplanung. „Das Wichtigste für uns an unserem Geschäftsmodell ist aber“, betont Khrystychenko, „dass wir nützlich sind für die Stadt und für die Menschen, die uns so tatkräftig helfen und unterstützen.“