Mit Mut und Motivation zum Traumberuf
Start Guide Projekt zeigt, wie Fachkräftegewinnung in der Gesundheitswirtschaft gelingt
Anspruchsvoll, sinnstiftend und krisensicher: Die Arbeit im Gesundheits- und Pflegebereich erfüllt durchaus wichtige Kriterien für einen Traumberuf. Trotzdem ist der allgemeine Arbeits- und Fachkräftemangel hier besonders spürbar. Wie Fachkräftegewinnung in der Pflege funktionieren kann, zeigt das Projekt Start Guide für den Landkreis Osnabrück des GewiNet Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft e.V. und der MaßArbeit kAöR.

Auch Pflegefachfrau Dorcia Gyamfi ist mit Unterstützung des GewiNet e.V. den Weg zu ihrem Traumberuf gegangen. Sie kam als ausgebildete Krankenschwester mit Diplom aus Ghana, hat mit Unterstützung durch das Start Guide Projekt die Anerkennung ihres Berufs beantragt, Deutsch gelernt und eine Anstellung als Pflegehilfskraft gefunden. Nur sechs Monate später hat sie die Kenntnisprüfung zur vollständigen Anerkennung ihrer Ausbildung bestanden – eine beeindruckende Leistung. Den Arbeitsvertrag als examinierte Fachkraft konnte sie nach insgesamt drei Jahren 2024 beim Klinikum Osnabrück unterschreiben.
Inzwischen wohnt und arbeitet Dorcia Gyamfi in Osnabrück. Wir haben sie nach ihren Erfahrungen mit dem Projekt, ihrer Arbeit und ihren Zukunftsplänen gefragt.
Frau Gyamfi, wann kamen Sie aus Ghana nach Deutschland und was waren Ihre ersten Eindrücke?
Dorcia Gyamfi: Angekommen in der EU bin in ich erstmal in Frankreich. Schon nach einer Woche wurde ich nach Deutschland weitergeleitet. Ich bin am Essener Hauptbahnhof angekommen und dort zur Caritas gegangen, wo mir weitergeholfen wurde. Das war im April 2019, es war sehr kalt und ich konnte gar kein Deutsch. Ich bin alleine angekommen und war in der ersten Zeit immer nur zu Hause, weil ich so schüchtern war. Es war eine schwierige Zeit für mich.
Wie sind Sie auf das GewiNet und das Start Guide Projekt aufmerksam geworden?
Dorcia Gyamfi: 2021 bin ich nach Bad Laer gezogen. Zunächst bin ich mit meinem Zertifikat aus Ghana ins Rathaus gegangen und habe gefragt, ob ich damit in Deutschland arbeiten kann. Ich hatte zwar bereits oft gehört, dass ich nicht hier arbeiten darf, aber ich wollte nicht aufgeben. Ich dachte, wenn ich nicht direkt in meinem Beruf arbeiten kann, bin ich auch bereit, ihn hier noch einmal ganz neu zu lernen. Vom GewiNet habe ich durch die Hilfe einer benachbarten Pastorenfamilie – der Pastor war mein Betreuer – erfahren.
Wie war der erste Kontakt mit dem Start Guide Projekt?
Dorcia Gyamfi: Der war von Anfang an positiv. Es waren alle sehr nett. Erst haben wir nur telefoniert. So konnte ich meine Schüchternheit etwas abbauen. Aus dem ersten Treffen bin ich dann sehr optimistisch und motiviert rausgegangen. Ich habe erfahren, dass es möglich ist, mein Diplomanerkennen zu lassen! Ab da hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt wirklich meine Zukunft selbst bestimmen kann.
Welche Angebote des Start Guide Projekts haben Sie in Anspruch genommen?
Dorcia Gyamfi: Ich habe die Sprachkurse absolviert und das Projekt hat mir den Job im Klinikum als Pflegehelferin organisiert. Dann folgte die Begleitung durch den gesamten Anerkennungsprozess.
Es sind drei Jahre vergangen, bis Sie den Anerkennungsprozess und alles, was dazu gehörte durchlaufen haben. Was hat Sie am meisten motiviert, durchzuhalten und Ihr Ziel zu verfolgen?
Dorcia Gyamfi: Ich liebte schon immer die Krankenpflege. Als ich noch ein Kind war, musste mein Vater in Ghana nach einer OP einen Monat im Krankenhaus verbringen. Deshalb war ich viel im Krankenhaus und habe beobachtet, wie die Angestellten gearbeitet haben und wie wichtig sie waren. Da habe ich schon als Kind meiner Mutter gesagt, dass ich später Krankenpflegerin sein möchte.
Was waren die größten Herausforderungen/Hindernisse, die Sie gemeistert haben?
Dorcia Gyamfi: Die Sprache zu lernen war am schwierigsten, aber wenn man erstmal Deutsch versteht, wird es einfacher, sich den anderen Herausforderungen zu stellen.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Dorcia Gyamfi: Ich bringe morgens die Kinder in den Kindergarten und fange um acht Uhr meine Arbeit im Klinikum an. Ich übernehme die sogenannte Grundpflege der Patienten, dann müssen regelmäßig Medikamente gestellt werden und morgens sind oft neue Patientenaufnahmen, ich wechsle Infusionen – also ich kann sehr viele verschiedene Aufgaben erledigen und lerne viele unterschiedliche Menschen kennen, deshalb ist mein Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich und immer interessant.
Ist die Arbeit als Pflegekraft in Ghana anders als in Deutschland?
Dorcia Gyamfi: In Ghana sind die Angehörigen stärker in die Pflege eingebunden. Nur wenn jemand niemanden hat, übernehmen das Waschen die Pflegefachpersonen. Es ist anders, aber das eine ist nicht schlechter als das andere. In Ghana muss man aber leider oft improvisieren, da es an wichtigen Ressourcen mangelt. Das macht die Arbeit als Pflegefachfrau in Deutschland tatsächlich viel einfacher.
In Deutschland bin ich besonders beeindruckt von den pflegerischen Teilen des Bobath-Konzepts. Das ist eine Bewegungstherapie, die zum Beispiel Patienten nach Schlaganfällen wieder mobilisieren kann.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleginnen und Kollegen? Verstehen Sie sich gut?
Dorcia Gyamfi: Die Zusammenarbeit auf meiner Station ist sehr gut. Wir mögen uns und sind ein gutes Team. Dafür bin ich sehr dankbar, denn das ist keine Selbstverständlichkeit.
Was würden Sie anderen Menschen raten, die in einer ähnlichen Situation sind wie Sie am Anfang?
Dorcia Gyamfi: Das Wichtigste ist, nicht den Mut zu verlieren. Die Unterstützung durch das Projekt ist gut, aber man selbst muss auch Arbeit machen. Ich habe bisher schon drei andere Frauen aus Afrika motiviert, diesen Weg auch zu gehen. Eine von ihnen hat gestern das B2 Sprach-Zertifikat bekommen und möchte jetzt die Pflegeausbildung beginnen. Ich sage immer, es ist anstrengend, aber man muss sich auf die Aufgabe konzentrieren und darf nicht aufgeben, dann schafft man es.
Wie gefällt es Ihnen in Osnabrück?
Dorcia Gyamfi: Ich mag kleine Städte. Ich war schon in Hamburg und Berlin, aber in Osnabrück gefällt es mir besser und ich fühle mich wohl. Meine Kinder sind hier zu Hause und mein Sohn hat mit fünf Jahren schon schöne Freundschaften geschlossen. Ich möchte nicht zurück nach Ghana. 2023 war ich mit meinen Kindern dort, aber meinem Sohn hat es nicht gefallen, er wollte wieder zurück nach Deutschland, weil er sich hier zu Hause fühlt.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Dorcia Gyamfi: Ich arbeite jetzt auf der Onkologie-Station und ich überlege, ob ich später eine Weiterbildung oder den Bachelor machen kann, aber ich habe mich noch nicht entschieden. Jetzt ist erstmal mein Mann an der Reihe: Er arbeitet als Briefsortierer, aber er möchte auch in der Pflege arbeiten. Deshalb hat er sich auch für das Start Guide Projekt gemeldet.
GewiNet e.V. und Start Guide für den Landkreis Osnabrück
Das Projekt Start Guide für den Landkreis Osnabrück des GewiNet Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft e.V. und der MaßArbeit kAöR verfolgt das Ziel, Zugewanderte mit Flucht- und Migrationshintergrund in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt im Gesundheitsbereich zu integrieren. Ebenso bietet es den Gesundheitseinrichtungen im Landkreis Osnabrück Unterstützung bei der Integration von internationalen Arbeits- und Fachkräften an.