Hochschule Osnabrück entwickelt Lieblingsobst der Deutschen weiter
Innovationszentrum Apfel am Campus Haste in Osnabrück
Seit 20 Jahren wird am Campus Haste der Hochschule Osnabrück Deutschlands beliebtestes Obst erforscht. Mit essbaren Erfolgen: Selstar und Deichperle heißen die neuesten Innovationen aus der Osnabrücker Apfelschmiede. Die Deichperle ist seit Herbst 2020 im Handel und überzeugt nicht nur geschmacklich, sondern auch durch gleichmäßig hohe Erträge und gute Lagerfähigkeit. Der Selstar, der nach sechs Jahren Forschung seit Kurzem zu kaufen ist, stärkt durch seinen hohen Selengehalt das Immunsystem – in Pandemiezeiten besonders wichtig.
Dank der langjährigen interdisziplinären Forschung der Teams rund um Prof. Dr. Werner Dierend, der das Fachgebiet Obstbau verantwortet, und Prof. Dr. Diemo Daum, Leiter des Labors für Pflanzenernährung und Lebensmittelchemie, ist am Campus Haste ein Innovationszentrum rund um das Thema „Apfel“ entstanden. Bei der Arbeit der Forschenden kommen dem Praxistransfer sowie der Vernetzung in die Obstbauszene, u.a. mit Verbänden und Erzeugergenossenschaften, eine besondere Bedeutung zu. Die Produktentwicklung erfolgt in Zusammenarbeit mit Obstbauern im Alten Land, die durch den Anbau der Deichperle im weltweiten Wettbewerb gestärkt werden. Die internationale Fachzeitschrift Erwerbs-Obstbau wird von Prof. Dierend herausgegeben und ist das führende Fachorgan, nicht nur für Wissenschaftler und Berater, auch für Praktiker im Erwerbsobstbau.
Auch die Vermarktung des Selstar wurde nicht dem Zufall überlassen, denn Prof. Dr. Ulrich Enneking, der als Dritter im Bunde des interdisziplinären Professorenteams den Bereich Agrarmarketing und Marktforschung verantwortet, erforschte die Verbraucherakzeptanz des Selstar. Zur Vorbereitung der Markteinführung wurden außerdem reale Verkaufstests in Osnabrücker Supermärkten durchgeführt und eine Webseite mit vielen Informationen zu der Apfel-Neuheit erstellt.
Ein Selstar-Apfel deckt rund ein Drittel des normalen Tagesbedarfs an Selen. Das ist ungewöhnlich, denn Äpfel sind, wie die meisten Obst- und Gemüsearten, von Natur aus eher selenarm. „Normalerweise wachsen Pflanzen auf Böden, die einen geringen Selengehalt haben“, erklärt Prof. Daum. „Der hohe Anteil an Selen im Selstar resultiert aus einem speziellen Anbauverfahren, durch das die Apfelbäume Selen besser aufnehmen und in den Früchten einlagern. Damit bietet der Apfel eine natürliche Alternative zu Nahrungsergänzungsmitteln.“ Neue klinische Studien weisen darauf hin, dass eine gute Selenversorgung des Menschen auch im Hinblick auf einen milderen Verlauf von COVID-19-Erkrankungen wichtig ist. Auf den Geschmack hat der höhere Selengehalt übrigens keinen Einfluss: Der Selstar basiert auf rotschaligen Selektionen der populären Sorte Elstar und schmeckt ebenso fein-säuerlich.
Mit der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur kann Osnabrück ein international anerkanntes Zentrum für Forschung und Lehre der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft vorweisen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Ausbildung des Nachwuchses. „Die Verknüpfung von Forschung, Lehre und Praxis nehmen wir sehr ernst und setzen das hier in Haste entsprechend um“ betont Prof. Enneking, der u.a. das Food Future Lab initiierte. So kommen Obstbauern bundesweit aus Anbaugebieten wie der Niederelbe und dem Rheinland zum Studieren nach Osnabrück. Die vielfältigen Möglichkeiten am Campus Haste, wie die Versuchsbetriebe, in denen die Züchtung vor Ort gezeigt werden kann und die, auch durch die Zusammenarbeit mit diversen Praxispartnern, besonders praxisnahe Lehre, schaffen ein Alleinstellungsmerkmal des Standortes auch gegenüber anderen Hochschulen und Universitäten.
Davon zeigten sich auch die Kollegen der Universitätsmedizin der Charité Berlin beeindruckt, die die Osnabrücker Forscher regelmäßig in ernährungsmedizinischen Fragestellungen beraten und Projekte wie den Selstar oder die Entwicklung allergenarmer Apfelsorten fachlich begleiten. Prof. Dr. Lutz Schomburg, Selen-Experte am Institut für Experimentelle Endokrinologie, unterstützte beispielsweise bei Fragen zu Selengehalt und -verfügbarkeit des neuen Apfels, während Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann klinische Tests zum Allergenpotential von neuen Apfelsorten durchführt.
Der Selstar ist aktuell in rund 80 Edeka-Märkten von Osnabrück bis Berlin, u.a. auch in Hannover und Bremen erhältlich. Prof. Dierend verspricht: „Bereits in zwei bis drei Jahren bringen wir die nächsten Sorten auf den Markt und wir planen noch einige spannende Kooperationen in der Lebensmittelentwicklung.“