Wie Osnabrück für Menschen mit Behinderung attraktiver wird

„Inklusion ist eine ständige Mission.“

Steven Brentrop verfolgt diese Mission als Inklusionsbeauftragter für die Stadt Osnabrück seit 2021. In seiner Funktion und auch als Betroffener – Steven Brentrop ist von Geburt an blind – ist er unermüdlich im Einsatz, Barrieren in der Stadt und in den Köpfen der Menschen abzubauen.

Steven Brentrop engagiert sich als Inklusionsbeauftragter der Stadt Osnabrück für sein Herzensthema.

In puncto Barrierefreiheit liegt die Hasestadt nach seiner Einschätzung im guten Mittelfeld. „Osnabrück hat eine sehr offene, innovative Stadtgesellschaft. Das ist ein echter Vorteil.“ So gebe es derzeit eine Testbaustelle, die Menschen mit Behinderung mit Hilfe digitaler Mittel sicher durch die Baustellensituation leitet.

Derzeit ist diese am Altstadtbahnhof installiert. Ein anderes Projekt ist die Kooperation mit der Kunsthalle Osnabrück, um Kunst im öffentlichen Raum für Menschen mit Behinderung zugänglich zu machen.

Smartphone kann Barrieren abbauen

„Das Smartphone spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, weil es viele andere Hilfsmittel ersetzen kann, wenn die jeweiligen Anwendungen gut konzipiert sind“, weiß der Inklusionsberater. Einen guten Überblick über den aktuellen Stand baulicher Barrierefreiheit soll zukünftig das Geodatenportal der Stadt bieten.

Der inklusive Stadtplan verzeichnet schon jetzt einige barrierefreie Bushaltestellen, Behindertenparkplätze, Blindenleitlinien und den bislang einzigen barrierefreien Bahnhof der Stadt, den Altstadtbahnhof. Der Hauptbahnhof wird ab dem Jahr 2024 schrittweise saniert.

Noch fehlen durchgängige Braillebeschriftung oder ein vollständiges Blindenleitsystem. Das wird sich aber – nicht zuletzt dank Mitwirkung der städtischen Fachstelle Inklusion – bald ändern.

Inklusion fängt im Kopf an

Auch wenn Inklusion noch nicht überall in Osnabrück gegeben ist, weiß Brentrop, dass es vorangeht, denn die Fachstelle wird immer häufiger in bauliche Projekte einbezogen. Entscheidender Punkt in seiner Beratung ist nicht die Realisierung der Ideallösung – auch wenn sie angestrebt ist –, sondern vor allem die Offenheit der Menschen: „Das Gelingen von Inklusion hängt maßgeblich davon ab, wer sich damit beschäftigt. Wie weit sind die Barrieren in den Köpfen abgebaut?“

Neben den baulichen Grenzen gilt es also die in den Köpfen zu beseitigen. Darum ist es wichtig, dass nicht behinderte Menschen selbst erfahren, welche Barrieren im Alltag auf Menschen im Rollstuhl oder mit Seh- und Hörbehinderungen lauern. „Theorie ist das eine, Erleben das Andere“, sagt Brentrop voller Überzeugung.

Von Sachsen nach Niedersachsen

Der gebürtige Magdeburger studierte Sozialpädagogik in Magdeburg und Erfurt. Danach zog es ihn nach Dresden. „Dresden ist eine wahnsinnig tolle Stadt mit einem fantastischen Kulturangebot. Und auch die Straßenbahn war für mich sehr praktisch. Die hat mir hier erst gefehlt. Mittlerweile mache ich jedoch fast alles zu Fuß, da Osnabrück eine Stadt der kurzen Wege ist“, sagt Brentrop. „Außerdem entdeckt man zu Fuß ganz besondere Orte, wie den Kreuzgang im Osnabrücker Dom. Mitten in der Stadt herrscht hier vollständige Ruhe.“

Kultur und Familie

Auch die Kneipenszene kann mit der fast dreieinhalbmal so großen Elbmetropole mithalten. „Wir exportieren das Bier aus der Rampendahl-Brauerei sogar erfolgreich nach Dresden“, sagt Brentrop und lacht. Das Osnabrücker Kulturleben, vor allem die Vielfalt in der Lagerhalle, hat es ihm und seiner Frau ebenfalls angetan, auch wenn die Zeit dafür deutlich knapper geworden ist, denn die acht Monate alte gemeinsame Tochter fordert jeden freien Moment des Sozialpädagogen.

Auch in der Freizeit auf „Mission“

Die Zeit, die ihm noch verbleibt, widmet Brentrop dem Sport und seinem Ehrenamt im Inklusionsforum. Die „Mission Inklusion“ lässt ihn also auch nach Feierabend nicht los. „Wir versuchen, zum Beispiel Gastronomen zu sensibilisieren. Das ist ein Prozess, der Aufklärung und Multiplikatoren braucht. Und ein wenig Geduld und Verständnis von beiden Seiten. Auch von den behinderten Menschen.“

Gegenseitiges Verständnis und offene Kommunikation baue Barrieren in den Köpfen ab. „Mit echtem Interesse, Toleranz und Humor kann Vieles gelingen.“ Eine Haltung, die nicht nur beim Thema Inklusion vieles leichter macht.